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Doha - Oha


Doha ist eine Stadt die polarisiert.
Ich schwanke zwischen Faszination und Entsetzen.

Bei Dubai und AbuDhabi überwiegt definitiv Faszination - aber ich beginne am Anfang.


Wir haben eine Stadtrundfahrt gebucht „Doha von unten und oben“. 

Vom Ankunftstag kennen wir Doha nur bei Nacht mit seinen vielen schillernden Farben und Lichtern. Am Tag nun präsentiert sich die Stadt so weit das Auge reicht, hochmodern und prachtvoll. 


Unsere Reiseleiterin spricht sehr gut deutsch. 


Die Fahrt geht los und vorbei an zahlreichen, niedrigen pastellfarbenen Häusern. Die Ecken und Kanten sind abgerundet, alles wirkt einladend und die Formen der Gebäude schmeicheln dem Auge. Wir erfahren, dass es sich bei diesem „kleinen Dorf innerhalb der großen Stadt“ um ein Hotel handelt. Überall im Erdgeschoss sind Geschäfte etabliert, also residieren - shoppen - sehen und gesehen werden - in einem.


Weiter gehts Richtung erster Fotostopp: Vorbei am Museum für islamische Kunst, ein Bauwerk, das durch seine klare Linien besticht, eine Straße an einem Gewässer entlang, auf dem sich Dhow an Dhow reiht. Es ist noch relativ früh und viele einheimische Fischer ordnen ihre Netze, Händler ihre Waren. 


Am Ende der Straße dürfen wir aussteigen und die Westbay Skyline Dohas fotografieren. 


Auf der Weiterfahrt zum Fußballstadion Khalifa, direkt neben dem „The Torch Hotel“ gelegen, werden wir mit Details zum Emirat versorgt. Der Emir Sheikh Tamim bin Hamad al-Thani ist der Herrscher von Qatar. Alle seine männlichen und weiblichen Verwandten dürfen sich „Scheich“ bzw. „Scheichin“ nennen. Ich finde „Scheichin“ so ein verrücktes Wort 🤣

die gendern also auch!


In Qatar dürfen die Männer bis zu 4 Frauen haben, allerdings steht jeder Frau ein eigenes Haus mit Personal zu. Da das doch recht kostspielig sei, haben die meisten Männer nur 1 Frau. 


Die Männer haben’s echt nicht leicht 😅.


Darüber hinaus bekommt jedes heiratende Paar vom Emir ein Grundstück geschenkt. Allerdings hat es keinen Einfluss darauf, wo das Grundstück liegt - und das Haus müssen sie auch selber bauen. Das Leben ist so ungerecht….


Im „The Torch Hotel“ auf Etage 50 ist die Einnahme eines Erfrischungsgetränks geplant. Mit dem Expresslift geht es zunächst bis in den 47 Stock. Wir erhaschen einen Blick auf ein wirklich prachtvolles Restaurant, welches einen 360 Grad Rundblick durch einen sich drehenden Untergrund bietet - aber nicht für uns. Wir werden höflich aber bestimmt in den nächsten Lift manövriert, der noch mal 3 Etagen rauf tuckert - hier nix mehr Express.


Mit dem entwaffnendem Charme des 70er Jahre Fernsehturms Berlin Ost empfängt uns die 50. Etage. Kein Sitzplatz, überall Kartons, ein abgeranzter Teppich, aber ☝🏼: drei farbenfrohe Getränke in gelb💛 rot ❤️und grün💚 - geschmacklich schwer definierbar.


Nachdem wir uns gestärkt haben, fahren wir weiter zur künstlich angelegten Wohninsel „the Pearl“. Im frühen 19. Jahrhundert lebten die Qataris vom Perlenhandel, bis die Zuchtperle erschaffen wurde und das lukrative Geschäft mit der echten Perle drastisch einbrach.


Den Höhenflug des Reichtums brachte später die Entdeckung des Erdöls - aber das ist ja allgemein bekannt.


Es gibt zahlreiche große Wohnblocks, auch europäisch angelehnte Malls und Wohnviertel; so zum Beispiel die neben dem The Torch Hotel gelegene „Venice-Mall“. Hier kann man mit Gondeln durch die Mall fahren. Dann gibt es noch ein spanisches Viertel und vieles mehr.


Alle Malls, und es gibt wirklich sehr viele, sind voll klimatisiert, da sich im Sommer, wenn draußen Temperaturen von bis zu 50 Grad herrschen, hier das gesamte Leben abspielt. Angefangen von Kinderspielplätzen, Eislaufbahnen (🧐), Joggingstrecken bis hin zu tatsächlich auch Einkaufsmöglichkeiten.


In einem sehr eleganten Wohn- und Einkaufsviertel, hab leider den Namen vergessen, werden sogar die Außenterrassen auf 22 Grad runter gekühlt, damit man seine Getränke und Speisen mit Genuss im Freien verzehren kann. Auch gibt es dort eine Joggingstrecke unter freiem Himmel, die ebenfalls klimatisiert ist und den Läufern perfekte 28 Grad bietet - so! Das ist doch super, sagt der Emir!


Aber alles was vorher war, wir unübertroffen getoppt von „The Pearl“.


Zwei große künstlich angelegte Inseln, eine hat 31 Wohntürme, die andere 29. The Pearl ist das einzige Areal, wo auch Ausländer Wohnungen kaufen dürfen. Verkauft werden Einraumwohnungen von 100 qm mit zwei Bädern für ca. 300.000 € oder Zweiraumwohnungen von 200 qm und 3 Bädern.


Man fährt mit seinem Auto vor, es gibt einen Parkservice. Dem drückt man seinen Schlüssel in die Hand und dein Auto verschwindet wie von Zauberhand. Die gesamte Anlage ist in sich autark. Auch hier im Untergrund die Shoppingcenter. Die kleine Insel mit den 29 Häusern hat zudem zu jedem Haus einen zugehörigen Strand. 

Promenaden umlaufen das gesamte Areal, und das sind Strecken - alter Schwede! 

Im Anschluss an die beiden großen Wohninseln gibt es noch sieben private Inseln. 

Eine gehört natürlich dem Emir, ein paar sind von Scheich und Scheichin (🤣) bewohnt, aber zwei könnt ihr noch kaufen 💸💸💸💸.


In den vergangenen 4 Jahren ist Doha von 500.000 Einwohnern auf knapp 3 Millionen gewachsen. Nein, die Qataris haben das nicht alleine geschafft 😉. Überwiegend durch Zuzug von Gastarbeitern. Die Reiseleiterin hält sich bedeckt hinsichtlich der Lebenshaltungskosten und Mieten für normal Sterbliche spricht: Gastarbeiter. Sie sagt nur, dass sie bis zum 6-fachen von dem verdienen, was sie in der Heimat erreichen können. 🤷🏼‍♀️, da frag ich doch mal einen Inder oder Pakistani…

Die Schere des Wohlstands klafft meilenweit auseinander, die der Gerechtigkeit noch weiter.


Einheimische haben freie Krankenversicherung, mit einer kleinen Zusatzversicherung können sie sich aber weltweit operieren lassen - zahlt dann alles die Regierung. Strom und Wasser ist für die Qataris ebenfalls frei. 


Schöne künstlich geschaffene heile Welt.


Auf der Rückfahrt: 

6-spurige Straßen, seitlich und in der Mitte von Petunien und Fleißigen Lieschen gesäumt (diese Blumen gibt übrigens auch weit verbreitet in Dubai und AbuDhabi), grüne Wiesen, hohe Palmen - das ist so unwirklich. Alles unglaublich sauber und gepflegt - das Auge nimmt es gerne auf. Aber das hebt auch das Künstliche so stark hervor.


Mein ganz persönliches Fazit:

Ich hab’s gesehen - das möchte ich nicht missen.

Es ist alles ein Kunstkonstrukt, einerseits wohltuend fürs Auge, aber immer erschreckend und beklemmend für Herz und Verstand.

Die umfangreichen Sammlungen in den verschiedenen Museen möchte ich mir schon mal ansehen, aber es beweist einmal mehr, dass sie im Grunde wenig eigene vorzeigbare Vergangenheit haben.

Meins ist es nicht.


Wie sang einst Tim Toupet:

Da sprach der Scheich zum Emir: „Bezahl‘n wir und geh‘n wir.“

Sprach der Emir zum Scheich (oder der Scheichin🤣🤣): „Geh‘n wir lieber gleich!“


In diesem Sinne - nix wie weg!



Man liest sich 👋🏼

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Kommentare: 2
  • #1

    Karin (Dienstag, 14 Februar 2023)

    Oh man, ich glaube diese ganze künstliche Prachtwelt muss ich nicht haben! Bericht von Dir und Bilder reichen mir�

  • #2

    Heinz (Dienstag, 14 Februar 2023 17:35)

    Erst mal ein Kompliment liebe Ruth ,
    du schreibst ganz toll .
    Eine Weltreise von euch beiden würde ein ganzes Buch füllen und bestimmt einen Verleger finden.
    Ich glaube das dann Norderney für euch wieder wohltuend und beruhigend sein wird .�